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„Regional sein heißt, die Menschen in ihrer Lebensrealität abholen“

06.06.2023 5 Minuten Lesezeit

Ist die „Glokalisierung“ das Ende der Globalisierung? Ist sie das Beste aus den beiden Welten „global“ und „lokal“? Und was hat UNIQA damit zu tun? Ein Gespräch rund um Megatrends und ihre Anwendbarkeit.

Wir sind in unseren Märkten ein regionales Unternehmen, sagt Juri Reich von Strategy & Transformation. Regional ist mehr als nur räumlich zu verstehen, es heißt, in meiner, in deiner Lebenswelt sein, meint Paul Brandstätter, Produkt & Markt Österreich. Genau das schätzen unsere Kund:innen an uns, weiß Beraterin Lisa Ifkovits, PC Graz. 

 

Redaktion: „Glokalisierung“ bezeichnet die Mischung aus Globalisierung und Lokalisierung. Wo erkennst du diesen Trend?

Lisa: Ich spüre dieses Ineinanderfließen von Globalem und Lokalem klar im eigenen Umfeld, Beispiel Klimawandel. Wir haben ein globales Thema, auf das wir in der Landesdirektion in Graz lokal antworten, mit unserer Photovoltaik-Anlage und der begrünten Fassade.

Paul: Es gibt beides und wir brauchen auch beides. Ich kann das Globale heute regional konsumieren. Ohne die Digitalisierung wäre Glokalisierung gar nicht möglich.

Juri: Makroökonomisch betrachtet ist die Glokalisierung eine Gegenbewegung zur Globalisierung. Wir haben beispielsweise gesehen, dass Lieferketten durch die Globalisierung anfällig sind. Trotzdem bleibt sie wichtig für unser Wohlstandslevel.


Redaktion: Wo steht UNIQA im Spannungsfeld von global und lokal?
Paul: Das ist eine Frage der Perspektive. Wir sind ein multinationaler Konzern, der stark regional verwurzelt ist und gruppenweit Top-Marktpositionen verteidigt. 

Juri: Wir sind, anders als eine Allianz oder eine Generali, die global aufgestellt sind, ein regionaler Player in Zentral- und Osteuropa. Mit allen Vor- und Nachteilen. Der Ukrainekrieg etwa hat für uns dadurch einen größeren Impact. 

Paul: Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden lokal und digital dort abholen, wo sie gerade sind, in ihrer Lebenswelt.

Lisa: Genau das ist es auch, was sie an uns schätzen.

 

Es gibt beides, Globalisierung und Lokalisierung, und wir brauchen auch beides. Ich kann das Globale heute regional konsumieren. Ohne die Digitalisierung wäre Glokalisierung gar nicht möglich.

Paul Brandstätter, Produkt & Markt Österreich

 

 

 

Redaktion: Hat die Globalisierung ausgedient?

Paul: Wir haben gesehen, dass reines Effizienzdenken nicht zielführend ist. Bei Just-in-time-Lagerhaltung muss nur ein Schiff im Suezkanal feststecken und wir haben keine Microchips, mit unmittelbaren Auswirkungen auf unsere digitalisierte Arbeitsweise. 

Lisa: Wir merken unsere Abhängigkeit, wir spüren die Auswirkungen von lokalen Krisen, aktuell auf dem Energiemarkt, beim Strompreis.

Juri: Wenn Europa global nicht wettbewerbsfähig wäre, würde es uns regional nicht gut gehen. Die Globalisierung ist zu 99 Prozent etwas Gutes, denn sie bringt Wohlstand. Länder, die vor 30 Jahren noch T-Shirts genäht haben, bauen jetzt Autos. Ohne Globalisierung könnten wir nie so viele Menschen aus der Armut holen. Es stimmt aber, dass wir uns zu einem gewissen Grad aus der Abhängigkeit von globalen Lieferketten lösen müssen. Schlecht ist es, wenn man zu kurzsichtig denkt und irgendwo weit weg um zwei Cent günstiger lebenswichtige Medikamente herstellen lässt. Da gibt es daher auch eine Gegenbewegung, die das Risiko mitbetrachtet.

Lisa: Aber zugleich werden unter Umständen gewisse Länder klein gehalten, wenn man zum Beispiel an Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern denkt. Wir profitieren nur, solange es andere gibt, denen es wirtschaftlich schlechter geht. 

Juri: Manche Länder haben es geschafft, zum Beispiel Südkorea. Es liegt auch an einem Land selbst, ob es etwa rechtsstaatliche Institutionen und Demokratie einführt. 

Paul: Wir haben in der Coronazeit erkannt, dass wir Parallelität brauchen, dass Prozesse einen zweiten Pfad brauchen, dass wir Infrastruktur absichern müssen. Und wir haben es geschafft, den Betrieb aufrechtzuerhalten. 

Juri: … über global entwickelte Dinge wie MS Teams. 


Redaktion: Wie sicher ist unser Wohlstand?

Paul: Aktuell zehn Prozent Inflation tun schon vielen weh. Wir sehen, unser Wohlstand ist nach wie vor fragil. 

Juri: Den Westen an sich sehe ich nicht in Gefahr, er bleibt der stärkste Block. Europa aber hat sich zu sehr auf die USA verlassen. Wir wissen jetzt, wir müssen in der Sicherheitspolitik, in der Energiepolitik unabhängiger werden. 

Paul: Was gewisse Kosten mit sich bringt, die wir vielleicht jetzt eher wieder zu tragen bereit sind.

  

Wenn Europa global nicht wettbewerbsfähig wäre, würde es uns regional nicht gut gehen. Die Globalisierung ist zu 99 Prozent etwas Gutes, denn sie bringt Wohlstand. Es stimmt aber, dass wir uns zu einem gewissen Grad aus der Abhängigkeit von globalen Lieferketten lösen müssen.

Juri Reich, Strategy & Transformation

 

Redaktion: Zurück zu den Auswirkungen auf UNIQA: Kunde und Markt Österreich arbeitet an einem Projekt Urbanisierung. Was ist das?

Paul: Wir möchten die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden im städtischen Umfeld stärker berücksichtigen. Zum Beispiel über die Mehrsprachigkeit von Unterlagen, aber auch über neue Zugänge, über Sportlercommunities, Fitnesscommunities. 

Lisa: Fremdsprachige Unterlagen könnten wir gut brauchen. Auf einen Klick sämtliche Angebote und Anträge auf Englisch, das wäre begleitend zu einem englischen Beratungsgespräch wichtig.

Juri: Hier können wir tatsächlich noch besser werden. Wir haben eher weniger Marktanteil zum Beispiel in Wien. Wie können wir Studierende, junge Leute, Migranten in ihrer Lebensrealität abholen?

Paul: Der Mensch ist ein soziales Wesen, in der Stadt sind es eben weniger geografische Räume, die Menschen zusammenbringen, es sind Interessensgebiete, Communities. 

Lisa: Den Stadt-Land-Unterschied merke ich deutlich in der Beratung. In der Stadt wollen die Kundinnen und Kunden eine rasche Abwicklung, lieber ohne Termin noch nach der Arbeit, am Land fordern sie oft das persönliche Gespräch ein, gerne auch bei einem Kaffee bei sich zuhause statt bei uns im PC. Gerade ältere Menschen setzen das voraus, nach dem Motto, „du willst mir etwas verkaufen, jetzt komm‘ erst einmal zu mir“. Kundinnen und Kunden aus ländlichen Regionen sprechen auch leichter Empfehlungen aus. Da wäre es doch eine Idee in der Stadt, fürs Weiterempfehlen gibt‘s Goodies. Kundin xy bringt mir einen neuen Kunden und bekommt beispielsweise einen Prämiennachlass.

Paul: … bestenfalls wieder unterstützt durch digitale Tools. Die digitale UNIQA Stempelkarte. Es geht immer wieder darum, die Kundinnen und Kunden dort abzuholen, wo sie sind. Wir brauchen Möglichkeiten, wie wir unsere angestammte Beratungsstärke ins digitale Zeitalter übersetzen. 

Lisa: Ich kann heute schon ein virtuelles Beratungsgespräch um 19.30 Uhr machen, wenn die Kundin, der Kunde vorher keine Zeit hat, und es ist trotzdem persönlich. Ich kann Kunden somit in ihrer Komfortzone aufsuchen. 

Paul: Co-Browsing von Dokumenten wäre zum Beispiel etwas, das uns helfen würde. Versichern ist ein Vertrauensgeschäft. 


Den Stadt-Land-Unterschied merke ich deutlich in der Beratung. In der Stadt wollen die Kundinnen und Kunden eine rasche Abwicklung, lieber ohne Termin noch nach der Arbeit, am Land fordern sie oft das persönliche Gespräch ein, gerne auch bei einem Kaffee bei sich zuhause.

Lisa Ifkovits, PC Graz

Redaktion: Wie weit nehmen wir in unseren Produkten und in der Beratung Rücksicht auf regionale Unterschiede?

Lisa: In der Krankenversicherung zum Beispiel empfiehlt sich für einen Steirer sicher eher der bundeslandabhängige Tarif als für eine Niederösterreicherin, die auch nach Wien ins Spital geht.

Paul: Die regionale Identität ist sicher vorhanden und es ist sinnvoll, dass wir darauf eingehen. Zugleich dürfen wir sie auch nicht überstrapazieren. Meine Lebensrealität ist wichtiger, als wo ich jetzt exakt räumlich bin. Zum Beispiel habe ich ganz bestimmte Ansprüche, wenn ich gerade eine Familie gegründet und das erste Kind bekommen habe. Daher antworten wir mit Baukästen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse. 

Kundinnen und Kunden sind auch nur bereit für etwas zu zahlen, was sie brauchen. Denken wir an den Hund in der Haushaltsversicherung. Die Modularisierung ist der Schlüssel zum Erfolg und es geht um Convenience.

Lisa: Je flexibler ein Produkt sein kann, desto interessanter ist es für den Markt. Ich habe das neue Privatschutz Wohnen-Produkt ja auch anfangs kritisch gesehen, aber nach den ersten Beratungen und Abschlüssen finde ich es gut. Da ist alles drinnen, was ich für meine Kundinnen und Kunden brauche.

 

Hier gibt es einen Überblick zu den aktuellen Entwicklungen der Megatrends.


Juri Reich leitet die Abteilung Inhouse Consulting im Bereich Strategy und Transformation. Wie alle Mitglieder seines Teams hat er seine beruflichen Wurzeln in der Managementberatung. Juris Arbeit fokussiert sich auf unsere gruppenweite Strategie UNIQA 3.0, sowie auf zahlreiche weitere, strategisch relevante Projekte in verschiedenen Unternehmensbereichen. 

Lisa Ifkovits ist im Juni 2022 zu UNIQA gewechselt und seitdem im PC Graz im Außendienst tätig. An ihrem Beruf schätzt sie besonders die Vielfältigkeit ihrer Kund:innen, das persönliche Kennenlernen und Eingehen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse. Die bedarfsorientierte Arbeit liegt ihr besonders.

Paul Brandstätter arbeitet seit 2009 bei UNIQA in verschiedenen Funktionen - aktuell als Leiter des Bereichs Produkt & Markt. Sein Fokus liegt dabei immer darauf, für unsere Kund:innen die besten Produkte und Services zu entwickeln.


Porträts Juri Reich, Lisa Ifkovits, Paul Brandstätter

v.l.n.r.: Juri Reich, Lisa Ifkovits, Paul Brandstätter